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der Bunker

 

Der Luftschutzbunker befindet sich unter der Aufschüttung und wurde 1941/42 gebaut. Eigentlich sollte hier eine dritte Kaserne entstehen.

 

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Links die Aufschüttung, unter der sich der Bunker befindet, an deren Stelle eigentlich ein drittes Kasernengebäude gebaut werden sollte. Rechts wieder das Kasernengebäude nach Heeresbaunorm.

 

Der ehemalige Häftling Weiß-Rüthel beschrieb die Bauarbeiten folgendermaßen: "Beim Bau des großen Luftschutzkellers auf dem Exerzierplatz des Truppenbereiches wurde täglich ein gutes Dutzend geopfert. Man ließ die auf schwankenden Brettern stehenden, durch Hunger, Mißhandlungen und Kälte geschwächten Menschen einfach durch einen energischen Stoß in die Tiefe des gegrabenen Schachts fallen, wo sie entweder mit zerschmettertem Schädel liegen blieben oder derartige Verletzungen davontrugen, daß es sich nicht lohnte, sie erst noch einmal gesund zu machen. Sie kamen ins Revier, wo sie mit einer Spritze von allen weiteren Leiden erlöst wurden."(30)

Solche Gewaltexzesse waren möglich, weil die Gewalt anerzogen wurde und alltäglich war und somit zum festen alltäglichen Bestandteil wurde.

Die Institution SS entzog sich jeder externen moralischen Kontrolle, weil es kaum Kontakte nach außen gab. Das hier gelernte kann deswegen kaum auf seine Richtigkeit mit anderen Instanzen geprüft und gegebenenfalls als falsch betrachtet werden. Sorge äußerte sich in dem Interview hierzu: "Wir in den KZs waren eine vollständig isolierte Clique."(31) Auch in den SS-Siedlungen blieb man unter sich, die Kinder besuchten besondere Schulen, geheiratet wurde innerhalb der SS.

Die Häftlinge wurden schließlich auch physisch zu dem gemacht, was sie ideologisch bereits waren: zum sg. "Abschaum der Menschheit". Die Häftlinge waren völlig entkräftet und krank, außerdem der SS gegenüber vollkommen anonymisiert durch einheitliche Kleidung und kahl geschorenen Haaren. Schließlich durften sie sich nur mit ihrer Häftlingsnummer melden. Auch durften die Angehörigen der SS die Häftlinge nicht beim Namen nennen, ansonsten mußten sie damit rechnen, bestraft zu werden.

Durch die Anonymität wurde soziale Distanz geschaffen. Diese Distanz wiederum ist die Quelle emotionsloser Gewalt.

Dies geht insbesondere aus den Experimenten des amerikanischen Psychologen Stanley Milgram hervor. Die Bereitschaft, hohe Stromstöße zu erteilen, wuchs, je stärker die Versuchsperson räumlich von der fiktiven Versuchsperson (einem Schauspieler) getrennt war. Skrupel zeigten sich, wenn es zuvor Kontakte zwischen der tatsächlichen und fiktiven Versuchsperson gab.(32) Die physische räumliche Trennung hat ihre Entsprechung in der psychischen sozialen Distanz.

Verdeutlichen läßt sich dies auch an Hand einer Filmszene aus "Schindlers Liste": Amon Göth, Kommandant des Lagers Plaszow, hatte seine Villa auf einem Hügel über dem Lager. Im Film wacht er früh morgens neben seiner Frau oder Geliebten auf, greift ein Gewehr und schießt auf jüdische Häftlinge, anschließend frühstückt er. Dies diente nicht der Befriedigung irgendwelcher abartiger bzw. perverser Gefühle/Triebe.

 

(30) Weiß-Rüthel, Arnold: Nacht und Nebel. Ein Sachsenhausen-Buch, Berlin/Potsdam 1949, S. 104.

(31) Vgl. Dicks, Henry V.: a. a. O., S. 103.

(32) Milgram, Stanley: Das Milgram-Experiment, Reinbek bei Hamburg 1982.  Zum Versuchsaufbau: Der tatsächlichen Versuchsperson (VpN) wurde von einem fiktiven Arzt erzählt, sie nähme an einem Lernexperiment teil. Dazu solle sie einer fiktiven VpN Wortreihen vorlesen, die die fiktive VpN lernen solle. Bei Fehlern mußte die tatsächliche VpN der auf einem elektrischen Stuhl gefesselten fiktiven VpN Stromschläge als Strafe erteilen. Ein Ergebnis war, daß die meisten VpNs bereit waren, sogar tödliche Stromschläge zu erteilen, wobei sich die meisten auf die Autorität des Arztes beriefen. Zur Versuchsvariation "Nähe des Opfers" und Ergebnisse vgl. S. 48-59. Vgl. auch die Zusammenfassungen der Milgram- und Zimbardo-Experimente in: Ternon, Yves: Der verbrecherische Staat, Hamburg 1996, S. 92f. Zimbardo kommt an Hand seiner Experimente zu einem wichtigen Ergebnis: daß teuflische Bedingungen den normalen Menschen verändern. Vgl. ebd., S. 93.