Anfang August 1944 wurde im KZ Sachsenhausen ein Bordell eingerichtet. Eine solche Einrichtung stand zunächst dem offiziellem Bild der Prostitution entgegen, die ab 1933 eingeschränkt und verfolgt wurde. So konnten Prostituierte In Erziehungs- bzw. Besserungsheime eingewiesen werden, sogar eine Einweisung ins KZ war möglich.
Der Kriegsbeginn brachte eine Veränderung mit sich. Um die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten unter deutschen Soldaten zu vermeiden, wurde Prostitution wieder zugelassen, allerdings unter sehr rigiden Bedingungen. Heydrich erließ entsprechende Vorschriften in Absprache mit dem Oberkommando der Wehrmacht am 9. September 1939.
Erlaß des Reichs- und preußischen Innenministers Dr. Wilhelm Frick an die Landesregierungen, den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs, den Reichskommissar für das Saarland, den Reichsstatthalter im Sudetengau, den Reichs-statthalter in Hamburg, das Reichskriminalpolizeiamt, die Regierungspräsidenten und Kriminalpolizei(leit)stellen
Berlin, 9. September 1939
Polizeiliche Behandlung der Prostitution
I.
Um unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine wirksame Abwehr der den Wehrmachtsangehörigen und der Zivilbevölkerung von der Prostitution her drohenden Gefahren, insbesondere in gesundheitlicher Beziehung, zu gewährleisten, ordne ich im Einvernehmen mit dem Oberkommando der Wehrmacht für das Operationsgebiet des Heeres innerhalb der jetzigen Reichsgrenzen folgendes an:
1. Die Polizei hat mit sofortiger Wirkung Maßnahmen zur Erfassung der Prostitution zu treffen und deren ärztliche Beaufsichtigung durch die Gesundheitsbehörde sicherzustellen.
2. Als Prostituierte im Sinne dieser Bestimmung gilt eine weibliche Person, die gegen Entgelt häufig wechselnden Geschlechtsverkehr treibt, durch ihr Verhalten öffentlich dazu anreizt und mit dieser Betätigung ganz oder zum überwiegenden Teil für sich oder andere den Lebensunterhalt erwirbt.
3. Jeder Aufenthalt von Prostituierten auf Straßen und Plätzen zum Zweck der Anwerbung zur Unzucht ist polizeilich zu verhindern. In bestimmten Gaststätten kann, wenn ein Bedürfnis gegeben erscheint, die Anwerbung zugelassen werden.
4. Die Ausübung der Gewerbsunzucht ist in besonderen Häusern zu dulden, wenn in diesen Häusern Kinder oder Jugendliche nicht wohnen und seitens der Vermieter für eine dem Zweck entsprechende Beaufsichtigung des Hausbetriebs gesorgt ist.
5. Soweit besondere Häuser für Prostituierte nicht vorhanden sind, ist von der Polizei in dazu geeigneten Ortsteilen auf ihre Schaffung, dem gegebenen Bedürfnis entsprechend, hinzuwirken, ohne dass sie geschlossen in einem Straßenzug zusammenliegen brauchen. Dabei ist den allgemeinen rassischen Grundsätzen Rechnung zu tragen (z.B. Zulassung von nicht deutschblütigen Prostituierten in Hafenstädten). Jüdische Prostituierte sind daher grundsätzlich ausgeschlossen. Die Gemeinden haben sie diesbezüglichen Maßnahmen der Polizei zu unterstützen und etwaige dadurch entstehende Kosten als mittelbare Polizeikosten zu tragen.
6. Die von den Prostituierten bewohnten Häuser sind unter Mitwirkung der Gesundheitsbehörden nach sicherheits- und gesundheitspolizeilichen Gesichtspunkten zu überwachen.
7. Es ist auch darauf zu achten, daß die ortsüblichen Mietsätze nicht in einer Weise überschritten werden, die den Vermietern ungerechtfertigte Gewinnmöglichkeiten gibt. Soweit an die Prostituierten Speisen und Getränke (Pension) abgegeben werden, gilt das gleiche.
8. Zu verhindern ist, daß der Vermieter aus dem unzüchtigen Verkehr seiner Mieterinnen über diesen Rahmen hinaus Nutzen zieht.
9. Genehmigungen zum Ausschank von Getränken und zur Abgabe von Speisen an Besucher sind nicht zu erteilen.
10. Das Vermieten von Zimmern an weibliche Personen unter 21 Jahren ist nicht zuzulassen.
II.
Falls Prostituierte sich der vorher umrissenen Regelung widersetzen, können zur Durchführung der vorstehenden Anordnung in Ergänzung der Bestimmungen des RdErl. des Reichsministers des Innern vom 14.12.1937 – Pol. S-Kr. 3 Nr. 1682/37 – 2098 – (nicht veröffentlicht) auch ohne die dort vorgesehenen Voraussetzungen folgende Auflagen erteilt werden:
a) an Prostituierte:
1. Verbot des Anwerbens von Männern zum Zweck der Unzucht außerhalb der Wohnung und der im Einzelfall ausdrücklich zugelassenen Gaststätten,
2.Verbot, sich ohne polizeiliche Erlaubnis während der Nachtzeit außerhalb der Wohnung aufzuhalten,
3. Verbot des Aufenthalts an bestimmten öffentlichen Örtlichkeiten,
4. Verbot zur Unterhaltung jeglicher Beziehungen zu Personen, die wegen Zuhälterei bestraft sind oder im Verdacht der Zuhälterei stehen,
5. Verbot der Herstellung, des Besitzes und der Verbreitung von Gegenständen, die zu sadistischen oder masochistischen Zwecken verwendet werden,
6. Verpflichtung, jede Wohnungsveränderung unabhängig von der Innehaltung der allgemeinen polizeilichen Meldevorschrift innerhalb von 24 Stunden der Kriminalpolizei des bisherigen und des neuen Wohnbezirks anzuzeigen,
7. Verpflichtung, die für eine ärztliche Überwachung gegebenen Weisungen pünktlich zu befolgen,
8. Verpflichtung, Schutzmittel, die für die Verhinderung der Übertragung von Geschlechtskrankheiten geeignet sind, vorrätig zu halten;
b) an Vermieter oder ihre Beauftragten:
1. Verbot, die von der Polizei im Einzelfall für die Vermietung und Verpflegung als angemessen gebilligten Sätze zu überschreiten,
2. Verbot der Abgabe von Getränken und Speisen an Besucher,
3. Verbot der Hergabe jeglicher Darlehen an Prostituierte,
4. Verpflichtung zur Innehaltung der als notwendig bezeichneten hygienischen Vorschriften,
5. Verbot des Haltens von Anreißern.
Sofern sich die Erteilung anderer oder erweiterter Auflagen als notwendig erweisen sollte, bedarf sie meiner Zustimmung. Personen, die den ihnen erteilten Geboten und Verboten böswillig zuwiderhandeln, sind in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen. Eine Prüfung über die Entlassung aus der Haft findet frühestens nach Ablauf von drei Monaten statt. Im Übrigen ist nach den Bestimmungen des RdErl. vom 14.12.1937 – Pol. S-Kr. 3 Nr. 1682/37 – 2098 – zu verfahren.
III.
Die Durchführung der Maßnahmen obliegt der Kriminalpolizei. Soweit ein Bedürfnis besteht, sind bei den Kriminalpolizeileitstellen, bei den großen Kriminalabteilungen und Gemeindekriminalpolizeien besondere Dienststellen zu errichten. Die im vorstehenden Erlass enthaltenen Richtlinien werden in einem Merkblatt zusammengefaßt, daß in der notwendigen Anzahl beim Reichskriminalpolizeiamt, Berlin C2, Werderscher Markt 5-6, anzufordern ist.
IV.
Über die Erfahrungen bei der Durchführung der neuen Vorschriften, insbesondere über die Frage einer Erweiterung der Auflagen (vgl. Abschnitt II) ist von den Kriminalpolizei(leit)stellen zum 1.12.1939 zu berichten. Örtliche Sonderbestimmungen über die Behandlung der Prostitution, die nicht mit den vorstehenden Bestimmungen im Einklang stehen, sind aufzuheben. Die Bestimmungen des Erlasses gelten weiter, auch wenn im Laufe der Zeit für bestimmte Gebiete die Erklärung zu Operationsgebieten des Heeres aufgehoben werden sollte.
Die Prostituierten wurden registriert, regelmäßig medizinisch untersucht, das Gewerbe durfte nur in zugelassenen Bordellen ausgeübt werden, die Freizügigkeit wurde eingeschränkt. Die Dienste der Prostituierten konnten auch von Wehrmachtsangehörigen in Anspruch genommen werden. Außer den "normalen" Bordellen gab es noch Fremdarbeiter- und spezielle Militärbordelle. Um rassischen Gesichtspunkten genügen zu können, schuf man Fremdarbeiterbordelle, um sexuelle Kontakte zwischen deutschen (besser: "arischen") Frauen und Fremdarbeiter zu unterbinden. Die Frauen für Fremdarbeiter warb man in den besetzten Gebieten an. In den besetzten Gebieten wiederum schuf man Militärbordelle, Grundlage war der Erlaß vom September 1939. Auf diese Weise sollte vermieden werden, dass deutsche Soldaten "freie" Prostituierte unkontrolliert besuchen. SS-Angehörige besuchten die hier angesprochenen Bordelle, besondere Bordell für SS-Angehörige gab es nicht. Lediglich für ausländische SS-Angehörige wurden Bordelle geschaffen.
Die Ausführungen zeigen einen gewissen Pragmatismus. Denn Prostitution war verpönt und hatte zunächst im Deutschen Reich keinen Platz. Erst durch den Krieg kam es zu Veränderungen. Aus ähnlich pragmatischen Gründen kam es zur Gründung von KZ-Bordellen.
Ausgangspunkt war die Häftlingszwangsarbeit. Die SS baute, wie bereits gezeigt, im Laufe der Zeit ein eigenes Wirtschaftsimperium auf. Die Zwangsarbeit stand dabei immer im Konflikt zwischen der Behandlung der Häftlinge und der wirtschaftlichen Effizienz. Über den gesamten Zeitraum der KZs betrachtet, gab es keinen Zeitpunkt, indem wirtschaftliche Effizienz die Hauptrolle spielte. Im Vordergrund stand stets der Terror. Dennoch lässt sich kriegsbedingt ein Einschnitt deutlich beobachten. Als sich kein schneller Sieg über die überfallene Sowjetunion abzeichnete, wurden Häftlinge verstärkt für kriegswichtige Zwecke eingesetzt. Die Anzahl der Außenlager wuchs. So gab es 1943 nur einige hundert, 1944 bereits über 1000 insgesamt für alle Konzentrationslager. Die Inspektion der Konzentrationslager wurde formal dem SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt unterstellt als "Amtsgruppe D". Auf diese Weise versuchte man, die Zwangsarbeiot besser koordinieren und für kriegswichtige Zwecke besser nutzen zu können. In der Behgandlung der Häftlinge schlug es sich in eher wenigen Fällen zu Gunsten der Häftlinge nieder, hier gab es, insbesondere in den Außenlagern, große Unterschiede zwischen den jeweiligen Außenlagern.