zur vorigen Station 
 zur nächsten Station
 Themenschwerpunkt Speziallager 
Sitemap Impressum/Datenschutzhinweis
Behandelte Themen hier:
 
Die Verpflegung der Häftlinge im Speziallager

Das Kartoffelschälkommando bestand aus ungefähr 35 bis 80 Häftlingen, die in der Nacht arbeiteten. Die Arbeitszeit begann abends um 22.00 Uhr und endete morgens um 4.00 Uhr. Im abgebildeten Betontrog wurden die Kartoffeln gewaschen.

"Das Schälkommando war - wie jedes Arbeitskommando im Lager - sehr begehrt, bot es doch sinnvolle Arbeit in dem ansonsten arbeits"losen" Alltag des Internierungslagers und insofern eine willkommene Abwechslung, eingeschlossen gerade hier die Möglichkeit, die individuelle hygienische Befindlichkeit wenigstens zeitweilig zu verbessern."

Agde, Günter: Sachsenhausen bei Berlin. Speziallager Nr. 7 1945-1950, Berlin 1994, S. 230.

Hunger war alltäglich im sowjetischen Speziallager. Die Rationen orientierten sich an die für Kriegsgefangene vorgesehen, jedoch sah die Realität völlig anders aus. Wer konnte, hatte zusätzlich aus der Natur Pflanzen hinzugefügt. Der Häftling Hans Scholz, dem es gelang, Briefe zu schreiben und aus dem Lager zu schmuggeln, schrieb Anfang Juni 1946, dass er aus dem Arbeitseinsatz "immer Grünes [...] (Disteln, Brennnesseln, Melde, Wegerich, Sauerampfer)" mitgebracht hatte, um Suppen damit zu verdicken.(1) Er beschreibt weiter:

"Brot! 500-550 gr. erhalten wir täglich, und das schmeckt trocken wie früher die beste Torte. Man möchte es am liebsten mit einem Male (geschieht auch öfters) aufessen. Morgens gibt es Graupen-, Grutzen oder Mehlsuppen. Augenblicklich leider sehr dünne und wässrige. [...} Die Mittagssuppe ist immer sehr schmackhaft, manchmal leider auch sehr dünn! Hier kommt es darauf an, wenn man dran ist zum Empfang. Im Kübel sind immer 90 Liter. Die erste Hälfte schneidet natürlich immer besser ab."

Hans Scholz am 3. Juni 1946, zitiert nach Agde, Günter: Sachsenhausen bei Berlin. Speziallager Nr. 7 1945-1950, Berlin 1994, S. 78.

Die hier teilweise positiv anklingende Beschreibung "schmackhaft" könnte dazu dienen, den Empfänger (die Ehefrau) nicht zusätzlich zu beunruhigen. Insgesamt war die Versorgung mit Nahrungsmitteln völlig unzureichend und einseitig, so dass auch Folgekrankheiten auftraten. Reinhard Wolff, der im August 1945 ins Lager kam, erinnert sich:

"Da gab es frühmorgens das Brot, 450 bis 500 Gramm von einem Kastenbrot, was so nass gebacken war, dass man den Brotlaib kneten konnte, zu irgendwelchen Klößen oder Figuren. Und mittags gab es dann Suppe. Nur Suppe, nichts anderes. In dieser Wassersuppe waren einige Gemüsereste. Mittags hatten wir dann ungefähr 450 Milliliter in unserer Konservendose, und darin war dann ungefähr ein Esslöffel voll feste Masse, die sich unten absetzte. Abends gab es dann nur noch Tee. Bei dieser Verpflegung wurde man früh nicht satt, wurde mittags nicht satt und ging dann abends natürlich mit dem leeren Magen ins Bett."

Erinnerungen Reinhard Wolffs, zitiert nach: Thuns, Anja: Ein Holzkoffer als Hoffnungsschimmer. Reinhard Wolff als Jugendlicher im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen 1945-1948. (=Forschungsbeiträge und Materialien der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Bd. 14), Berlin 2023, S. 80.

Die ohnehin schmalen Rationen wurden am 1. November 1946 drastisch gekürzt, so dass es 1946/47 zum sg. "Hungerwinter" kam, nicht nur ausgelöst durch die Halbierung der Tagesration, sondern auch durch den extrem kalten Winter, organisatorische Mängel der Sowjets und Korruption. Gerade die Halbierung der Brotration war ein drastischer Einschnitt, da Brot die einzige Nahrung war, die regelmäßig ausgegeben wurde.

"Vor der Senkung der Rationen erhielt jeder Häftling offiziell 600 Gramm Brot, danach nur noch 300 Gramm und arbeitende Häftlinge 400 Gramm. Fisch wurde komplett gestrichen, Kartoffeln und Gemüse etwa um ein Drittel gekürzt, Fleisch um die Hälfte".

Thuns, Anja, in: Ebd., S. 81.

Aufgrund des Massensterbens hob der SMAD die Brotration wieder an auf 400 Gramm am 1. Januar 1947 und 500 Gramm am 15. Februar 1947. Nicht nur Nahrung war Mangelware, sondern auch Geschirr. Wie oben bereits erwähnt, hatte man die Suppe in alten Konservendosen gefüllt, Häftlinge bastelten sich aus Aluminiumresten Löffel.

Auch der bereits erwähnte Hans Scholz hatte unter den gekürzten Rationen zu leiden, er schrieb:

"Waren die Nacht von 18-3 Uhr Kartoffelschälen. Ich kann nur sagen, daß rohe K. herrlich schmecken."

Hans Scholz am 5. November 1946, zitiert nach Agde, Günter: Sachsenhausen bei Berlin. Speziallager Nr. 7 1945-1950, Berlin 1994, S. 113.

Spätestens hier wird deutlich, dass man Hans Scholz' eingangs verwendete Begrifflichkeit "schmackhaft" eher im unmittelbaren Vergleich mit üblicher Nahrung im Lager interpretieren muss.

Wandmalereien im Kartoffelkeller aus dem Speziallager

Zahlreiche Wandmalereien, die in einem sehr auffälligen Stil angefertigt worden sind, stammen von einem Häftling des Speziallagers. Bei diesem Häftling handelt es sich um den Künstler Hans Fischerkoesen.

Placeholder image

Placeholder image

Placeholder image

Hans Fischerkoesen wurde als der deutsche "Walt Disney" bezeichnet. Seit 1919 war er als Zeichner für Trickfilme tätig. Er arbeitete für die Ufa, bevor er sich selbständig machte. Er fertigte auch Lehrfilme für die Wehrmacht an, weswegen er ins Speziallager kam, sein Atelier und seine Villa wurden beschlagnahmt von den sowjetischen Besatzungsbehörden. Er hatte auch Portraits von den den sowjetischen Bewachern angefertigt, hierfür soll er ab und an zusätzlich ein Stück Brot bekommen haben lt. seinem Sohn. Er wurde 1948 entlassen, er siedelte in die Bundesrepublik über und wurde zu einem sehr bekannten Trickfilmer in der Werbeindustrie.(2)

 

(1) Agde, Günter: Sachsenhausen bei Berlin. Speziallager Nr. 7 1945-1950, Berlin 1994, S. 78.

(2) Vgl. Klatt, Oliver: Trickfilmpionier Hans Fischerkoesen. Hitlers Disney, in: Spiegel-Online, letzter Abruf 25. 2. 2024