Als die Planungen für die Gedenkstätte konkreter wurden, waren bereits viele Gebäude abgerissen oder zumindest weitgehend zerstört. Der Kommandanturbereich mit seinen Baracken und die SS-Garagen waren noch weitgehend erhalten, innerhalb des Lagerdreiecks innerhalb des Lagerdreiecks waren nur noch wenige Gebäude erhalten.
Man stand vor dem Dilemma, eine weitgehend leere Fläche zu füllen und an das Leid der Häftlinge erinnern zu wollen. Im Dezember 1956 wurde die Idee, den ersten Barackenring aufzubauen, u. U. mit verkürzten Baracken, verworfen. Man hatte sich entschlossen, einige bauliche Überreste wie beispielsweise die Stallungen und den Sonderbau (also das KZ-Bordell) abzureißen, wesentliche noch erhaltene Bauten aber zu konservieren. Der erste Barackenring sollte durch eine Mauer mit Darstellung der Barackenfronten baulich symbolisiert werden.
Das Kollektiv Buchenwald hatte anhand der Kernanforderungen an eine Gedenkstätte u. a. folgende Einzelforderungen heraus gearbeitet:
"Auf dem Gelände des ehemaligen Kommandanturbereichs wird man geräumige Zugangs- und Abgangsmöglichkeiten schaffen müssen, um größere Demonstrationen zur Gedenkstätte zu ermöglichen."
Kollektiv Buchenwald, Berlin: Zur Gestaltung der Gedenkstätte Sachsenhausen, in: Morsch, Günter (Hrsg.): Von der Erinnerung zum Monument. Die Entstehungsgeschichte der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen (=Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Bd. 8), Berlin 1996, S. 164-216, hier S. 194.
Über das Mahnmal heißt es:
"Wenn das ehemalige Torgebäude aufzufassen ist als das stärkste Symbol der Freiheitsberaubung und Unterdrückung, so muß das Mahnmal dem Torgebäude entgegengesetzt werden und muß deshalb eine beherrschende Wirkung innerhalb des Dreiecks haben."
Ebd.
Hiermit wurden bereits wesentliche Merkmale der Gedenkstätte fest gelegt: Erstens muss das Gelände "massentauglich" sein für politische Aufmärsche, zweitens muss das Mahnmal das Gelände beherrschen.
Das Komitee sandte die Stellungnahme an den Ministerpräsidenten Otto Grotewohl und an das Sachsenhausen-Komitee.
Im Juni 1957 erklärte man das Grundprojekt für beendet, man kam zum Schluss, "daß die Auffassungen des Komitees der Widerstandskämpfer nach derem neuesten Protokoll sich im großen und ganzen mit den Vorschlägen des Architektenkollektivs Buchenwald decken."(1) In diesem Schreiben war eine Stellungnahme des Sachsenhausen Komitees, das sich aus sieben ehemaligen Häftlingen zusammen setzte, beigefügt.
Unter deren Einfluss kam es zu folgender Übereinkunft, gebilligt wurden die Halle über die "Station Z", Wege und Bepflanzungen, die protokollierten Rekonstruktionen, Wiederaufbau zweier Baracken im Kleinen Lager, erhalt von Wäscherei und Küche und den Revierbaracken inkl. Pathologie. Der Kommandanturbereich durfte entsprechend den Ideen des Buchenwald-Kollektivs verändert werden, das bedeutete den Abriss der SS-Garagen zu Gunsten eines Museumsneubaus. Zugestimmt wurde auch dem sg. "Monument der Nationen", dem Obelisken, auch wenn Details noch ungeklärt waren. Hier ist es notwendig zu erwähnen, dass es zu diesem Zeitpunkt bezüglich der inhaltlichen Füllung der Baracken im kleinen Lager keine Vorstellung gab. Das Museum, dass an die jüdischen Opfer im KZ erinnern sollte, kam erst später auf die Agenda.
Neu, und hier wird der Einfluss deutlich, war die Rekonstruktion der sg. "Schuhprüfstrecke", die noch zu bauende Ringmauer musste sich deswegen exakt an der Flucht der ehemaligen Baracken orientieren, damit für die Schuhprüfstrecke noch Platz bleibt.
Durch die Ringmauer wurde der Blick des Besuchers auf das zentrale Mahnmal gelenkt, die Freifläche war optisch, solange man sich auf dem Appellplatz befand, versperrt.
der zentrale Blick auf das Mahnmal, rechts und links die Ringmauer mit den angedeuteten Baracken des ersten Ringes, in der Mitte zwischen der Ringmauer befindet sich der am Boden der Hinweis auf die öffentlichen Hinrichtungen und dem Lagergalgen.
Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (2010)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen
Der Eingang befand sich am Kommandanturbereich, der parkähnlich gestaltet wurde und durchquerte ihn geradewegs zu auf das "Museum des antifaschistischen Widerstandskampfes der Völker". Man durchschritt links den Turm A und hatte dann zentral, ohne dass das Auge weit schweifen konnte, das Mahnmal im Blick. Nur im Blickfeld direkt seitlich rechts sind der Zellenbau und das Kleine Lager zu sehen..
Hinter der Ringmauer befindet sich rechts die ehemalige Häftlingsküche mit dem damaligen Lagermuseum. Erst hinter dem Mahnmal links gelangte man zum Ort der Trauer, der früheren "Station Z".
Die andere Baracken hatte man durch Granitblöcke symbolisiert, an deren Front die jeweilige Barackennummer eingraviert war.
Hier der Blick auf das Gelände des zweiten Barackenringes, links im Anschnitt die ehemalige Häftlingsküche mit dem Lagermuseum.
Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (2010)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen.
Der Obelisk ist 40 Meter hoch, konkav gekrümmt und verjüngt sich nach oben. Mit dieser Konstruktion erscheint er trotz der Monumentalität dynamisch. An seinen drei Seiten befinden sich jeweils 18 rote Dreiecke, die politische Häftlinge aus 18 Nationen symbolisieren. Auch im "Museum des antifaschistischen Widerstandskampfes der europäischen Völker" waren 18 Nationen mit ihrer Geschichte ausgestellt. Im Sockel der Skulptur sind die Länder eingraviert, dort sind es allerdings mehr als nur achtzehn.
Das Mahnmal heute: Bei Feierlichkeiten wurde damals geflaggt. Beim großen roten Granitblock handelte es sich um die Rednertribüne.
Wie unschwer anhand der ausschließlich roten Dreiecke erkennbar ist, wurden andere Häftlingsgruppen inhaltlich vernachlässigt, im öffentlichen Raum war für diese kein Platz.
Von zentraler Bedeutung war die Skulpturengruppe mit dem Titel "Befreiung" des Bildhauers René Graetz. Ursprünglich war nur ein Relief geplant am Fuß des Monuments. Das Thema "Befreiung" sollte hier dargestellt werden, weil das Motiv "Trauer" bereits in der Gedenkhalle der "Station Z" realisiert wurde. Gerade diese Skulptur musste vom Künstler nach Kritik des Beirates immer wieder modifiziert werden, denn "es geht nicht um die Darstellung irgendwelcher Elendsfiguren, sondern um die Gestaltung einer Gruppe, die den Sieg über den Faschismus"(2) darstellt.
Somit rückte auch hier historische Authentizität immer weiter in den Hintergrund, im Ergebnis hatte die Skulptur nichts mit der historischen Realität der Befreiung des KZs Sachsenhausens gemein:
"Hatte der Soldat in dem 1954 errichteten Denkmal den gebrochenen Körper des Häftlings von der Erde aufgehoben und bedurfte der Häftling in der Plastik von 1955 noch der stützenden Umarmung seines Befreiers, so hatte er sich nun vollends aufgerichtet und stand mit seinem Kameraden wie mit dem sowjetischen Soldaten stark und fest auf dem Sockel des Denkmals."
Kopp, Ulrike: Die Projektierung der Gedenkstätte Sachsenhausen und die Diskussionen im Wissenschaflich-Künstlerischen Beirat beim Ministerium der Kultur, in : Morsch, Günter (Hrsg.): Von der Erinnerung zum Monument. Die Entstehungsgeschichte der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen (=Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Bd. 8), Berlin 1996, S. 164-216, hier S. 194.
In der Presse wurde das Resultat u. a. wie folgt beschrieben: Die Skulptur "Befreiung" zeige siegesgewisse Zuversicht, Vertrauen in die eigene Kraft der Kämpfer für Frieden und Fortschritt. Andere sahen einen jungen tatendurstigen Arbeiter mit geballter Faust und einen älteren besonnen Kampfgefährten, die ihre kämpfende Solidarität darin ausdrückten, dass sie sich schützend von ihrem sowjetischen Befreier umarmen ließen. Oder auch ein unbeugsamer Wille zum Sieg wurde gesehen.(3)
(1) Protokoll der Beratung, zitiert nach Kopp, Ulrike: Die Projektierung der Gedenkstätte Sachsenhausen und die Diskussionen im Wissenschaflich-Künstlerischen Beirat beim Ministerium der Kultur, in: Morsch, Günter (Hrsg.): Von der Erinnerung zum Monument. Die Entstehungsgeschichte der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen (=Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Bd. 8), Berlin 1996, S. 217-231, hier S. 223.
(2) Protokoll der Beiratssitzung vom 22. August 1958, zitiert nach ebd., S. 225.
(3) Wiedergabe verschiedener zeitgenössischer Äusserungen nach ebd., S. 226.