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6. Carlo Schmid (SPD) 1948

Hier die Sequenz aus dem Ausgangsvideo:

 

 

Quelle: Youtube, Link eingesehen am 26. 11. 2015

Quelle: Carlo Schmid (SPD), Rede vor dem Parlamentarischen Rat am 8. September 1948, Stenografischer Bericht S. 70ff., Youtube, Link eingesehen am 26. 11. 2015

Hier nun die Passage im Wortlaut:

"Wir haben nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu machen. Wir haben keinen Staat zu errichten."

Schon der nächste, im Ausgangsvideo geflissentlich weg geschnittene Satz, zeigt auf, dass dieser Ausschnitt keineswegs geeignet ist, die Thesen der sg. "Reichsbürger" zu stützen. Ferner sagt Carlo Schmid:

"Wir haben etwas zu schaffen, das uns die Möglichkeit gibt, gewisser Verhältnisse Herr zu werden, besser Herr zu werden, als wir das bisher konnten."

Es geht also um mehr Selbstbestimmung. Diese Verhältnisse beschreibt Carlo Schmid zu Beginn der Rede:

Was ist nun die Lage Deutschlands heute? Am 8. Mai 1945 hat die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert. An diesen Akt werden von den verschiedensten Seiten die verschiedensten Wirkungen geknüpft. Wie steht es damit? Die bedingungslose Kapitulation hatte Rechtswirkungen ausschließlich auf militärischem Gebiet. Die Kapitulationsurkunde, die damals unterzeichnet wurde, hat nicht etwa bedeutet, daß damit das deutsche Volk durch legitimierte Vertreter zum Ausdruck bringen wollte, daß es als Staat nicht mehr existiert, sondern hatte lediglich die Bedeutung, daß den Alliierten das Recht nicht bestritten werden sollte, mit der deutschen Wehrmacht nach Gutdünken zu verfahren. [...] Sie haben in Potsdam ausdrücklich erklärt, erstens, daß kein deutsches Gebiet im Wege der Annexion weggenommen werden soll, und zweitens, daß das deutsche Volk nicht versklavt werden soll. Daraus ergibt sich, daß zum mindesten aus den Ereignissen von 1945 nicht der Schluß gezogen werden kann, daß Deutschland als staatliches Gebilde zu existieren aufgehört hat. Aber es ist ja 1945 etwas geschehen, was ganz wesentlich in unsere staatlichen und politischen Verhältnisse eingegriffen hat. Es ist etwas geschehen, aber eben nicht die Vernichtung der deutschen Staatlichkeit. Aber was ist
denn nun geschehen? Erstens: Der Machtapparat der Diktatur wurde zerschlagen. Da dieser Machtapparat der Diktatur durch die Identität von Partei und Staat mit dem Staatsapparat identisch gewesen ist, ist der deutsche Staat durch die Zerschlagung dieses Herrschafsapparats desorganisiert worden. [...] Damit, daß die drei Staatselemente erhalten geblieben sind, ist Deutschland als staatliche Wirklichkeit erhalten
geblieben. Deutschland braucht nicht neu geschaffen zu werden. Es muß aber neu o r g a n i s i e r t werden."

Quelle: siehe oben, online einsehbar auf der Webseite der SPD, zuletzt eingesehen am 29. 11. 2015

Der Parlamentarische Rat trat zum ersten Mal am 1. September 1948 zusammen. Er bestand aus 65 Abgeordneten der Länder in den Westzonen. Seine Aufgabe bestand darin, eine vorläufige Verfassung zu schaffen. Gleichzeitig standen die Abgeordneten im Dilemma, keine Regelungen bis zu einer wie auch immer aussehenden Vereinigung aller Länder zu einem gesamtdeutschen Staat vorweg zu nehmen. Ausdrücklich musste ein Provisorium geschaffen werden. Dies kommt auch in der Wortwahl "Grundgesetz" zum Ausdruck statt "Verfassung". Diese für das Bundesverfassungsgericht verwendete Rechtsquelle ist auch Grundlage für die oben erwähnte Rechtsprechung. Denn auch Gesetze müssen ausgelegt und interpretiert werden. Hierzu ist der zeitliche ´Kontext wichtig und die Frage, was der Gesetzgeber bezwecken wollte.

Der provisorische Charakter des Grundgesetzes kommt auch in der Präambel in seiner alten Fassung zum Ausdruck:

"Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,

von dem Willen beseelt, seine nationale Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk

in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden- und Württemberg-Hohenzollern,

um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben, kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen.

Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, deren mitzuwirken versagt war.

Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden."

Grundlage des Parlamentarischen Rates war die Londoner Sechs-Mächte-Konferenz mkit den alliierten Westmächten sowie den Benelux-Staaten. Der Kalte Krieg hatte eine gemeinsame Politik aller Siegermächte unmöglich gemacht. Ein westdeutscher Staat mit einer demokratischen Regierungsform sollte geschaffen werden, dem deutschen Volk in den Westzonen sollte die volle Verantwortung übertragen werden mit Ausnahme der Ruhrfrage sowie die Einrichtung einer alliierten Sicherheitsbehörde, sofern die Verhältnisse in Deutschland sich erneut zuspitzen würden.